Demokratische Öffentlichkeit in Aktion?
Drei Vorträge und Diskussionsbeiträge zur Realität der Bedingungen der Möglichkeit kritischer Öffentlickeiten:
Wenn alternative Zeitschriften was ändern könnten, wären sie verboten
- Repressive Toleranz und Alternative Kommunikation am Beispiel der Geschichte des TATblatts. Eine Gesprächsrunde
mit Gerhard Kettler.
Anhand der Geschichte der Alternativzeitschrift TATblatt soll aufgezeigt und diskutiert werden, wie
1. radikale Medien in Österreich zwar nicht verboten aber dennoch auf juristischem und wirtschaftlichem Weg behindert werden und
2. wie dennoch versucht werden kann, in gesellschaftspolitische Prozesse zu intervenieren und die Welt zu mit medialen Mitteln zu verändern.
Der Hintergrund: Das TATblatt erschien von 1988 bis 2005 ganz legal, wurde zwar nur ein Mal beschlagnahmt, aber mehrmals mit Klagen eingedeckt, von Förderungen ausgeschlossen und öffentlich als kriminell und terroristisch denunziert.
Ziviler Ungehorsam und illegales Senden
- Radiopirat_innen der 1980er und 1990er Jahre. Eine Projektpräsentation
von Margit Wolfsberger.
In diesem Vortragsteil werden die Aktivitäten der Radiopirat_innen und daran anschliessend die der Freien Radios in Wien und die Reaktionen der staatlichen Organe darauf dargestellt. Dieser unbekannte Teil der österreichischen Rundfunkgeschichte wurde beim Jubiläumsprojekt „Schallspuren – Rückblicke auf 15 Jahre ORANGE 94.0 – Freies Radio in Wien und mehr“ erforscht.
Ende der 1980er Jahre begleiteten Radiopirat_innen die sozialen Bewegungen gegen Privatisierung, Waldheimkandidatur und Veränderungen an der Universität. Anfang der 1990er Jahre kulminierte der zivile Ungehorsam in der aktivsten und umfangreichsten Radiopirateriewelle in ganz Österreich. Die „illegale“ Sendetätigkeit wurde von Post und Polizei intensiv verfolgt und mit Strafen sanktioniert.
Öffentlichkeit und Propaganda: Wie die Presse Meinungen fabriziert
- Was den etablierten, den nicht-alternativen Medien vorzuwerfen ist. Propaganda auf demokratisch: Wie die Presse Meinungen fabriziert
von Herbert Auinger.
Demokratische Journalisten würden es weit von sich weisen, Propagandisten der Staatsmacht zu sein. Sie sind keine Agitatoren, die ihr Publikum für bestimmte Meinungen und Haltungen – egal ob kritisch oder affirmativ – gewinnen wollen. Was ihre Kundschaft denn nun von ihren „wertfreien“, sich jeder urteilenden Stellungnahme enthaltenden „Informationen“ halten soll, das will der Journalismus – zumindest der niveauvolle „Qualitätsjournalismus“ – dem Publikum wieder selber überlassen: Die Schreiber und Moderatoren verstehen sich nicht als Sprachrohr der Regierung, sondern sehen sich im Auftrag der Bürger unterwegs, die sich über das politische Geschehen ihre eigene Meinung bilden wollen. Wenn der Journalist sich ein definites Urteil anmaßt, dann ausdrücklich als „Kommentar“, d.h. als betont subjektive, persönlich gehaltene Stellungnahme und auch optisch getrennt von der eigentlichen, streng „sachlichen“ Berichterstattung. Genau so betreibt dieser Beruf allerdings pure Staatspropaganda.
(Auszug aus der Ankündigung dazu, was etablierten Medien bezüglich der Innenpolitik vorzuwerfen ist. Der gesamte Ankündigungstext ist unten angeschlossen und ein hier ein weiterer Ankündigungstext dazu, was etablierten Medien bezüglich der Außenpolitik vorzuwerfen ist.)
Wann: Sa, 16.11. von 10.00 bis 13.30
Wo: NIG, Inst.f.Politikwissenschaft, 2. Stock
Anmeldung: erforderlich, maximal 40 Teilnehmer_innen
Ein TATblatt, Schallspuren und GegenStandpunkt Workshop mit
Gerhard Kettler, Margit Wolfsberger und Herbert Auinger
Gerhard Kettler ist Alternativmedienwurschtler seit 1985. Er war Mitgründer und Mitherausgeber des TATblatts. Seit 1998 ist er Radiomachender, war Radio Orange 94.0 Programmkoordinator bis 2012, twittert als @nochrichten und sammelt seine Texte hier.
Margit Wolfsberger ist aktiv bei WUK RADIO – Die Sendung des Werkstätten- und Kulturhauses und betreibt aktuell auch die Sendung Schallspuren – Rückblicke auf Orange 94.0: 15 Jahre Freies Radio in Wien.
Herbert Auinger studierte Raumplanung an der TU Wien und Politikwissenschaft am Institut für Höhere Studien. Er widmet sich politisch und publizierend der grundlegenden Kritik der herrschenden Verhältnisse, also der bürgerlichen Gesellschaft, des Nationalismus, des Kapitalismus. Veröffentlicht hat er etwa in den Zeitschriften FORVM, der Volksstimme und heute vor allem im „GegenStandpunkt. Politische Vierteljahreszeitschrift„.
ANMELDUNG: geöffnet ab Di, 8. Oktober.
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Was den etablierten, den nicht-alternativen Medien vorzuwerfen ist
Propaganda auf demokratisch: Wie die Presse Meinungen fabriziert
von Herbert Auinger
Demokratische Journalisten würden es weit von sich weisen, Propagandisten der Staatsmacht zu sein. Sie sind keine Agitatoren, die ihr Publikum für bestimmte Meinungen und Haltungen – egal ob kritisch oder affirmativ – gewinnen wollen. Was ihre Kundschaft denn nun von ihren „wertfreien“, sich jeder urteilenden Stellungnahme enthaltenden „Informationen“ halten soll, das will der Journalismus – zumindest der niveauvolle „Qualitätsjournalismus“ – dem Publikum wieder selber überlassen: Die Schreiber und Moderatoren verstehen sich nicht als Sprachrohr der Regierung, sondern sehen sich im Auftrag der Bürger unterwegs, die sich über das politische Geschehen ihre eigene Meinung bilden wollen. Wenn der Journalist sich ein definites Urteil anmaßt, dann ausdrücklich als „Kommentar“, d.h. als betont subjektive, persönlich gehaltene Stellungnahme und auch optisch getrennt von der eigentlichen, streng „sachlichen“ Berichterstattung. Genau so betreibt dieser Beruf allerdings pure Staatspropaganda.
Denn die journalistische Verantwortung gebietet zu allererst ebendiese „sachliche“ Information, was gleichbedeutend ist mit: Informationen aus erster Hand. Artikel und Berichte bestehen deswegen zu einem großen Teil aus Stellungnahmen der politisch Zuständigen, der demokratisch gewählten Machthaber, in denen diese die Notwendigkeit und den guten Sinn ihrer Vorhaben und Maßnahmen erläutern. So erfordert das Ethos der Authentizität, dass Journalisten sich faktisch in einer ersten Runde ihrer Tätigkeit zum Sprachrohr der Mächtigen im Land machen. Für Distanz zu den Ansichten der gerade Regierenden sorgt das nächste Gebot, das Gebot der ausgewogenen Berichterstattung. Oppositionspolitiker kommen da richtiggehend proporzmäßig zu Wort; sie erklären, wie schlecht Absichten und Handlungen der aktuell Verantwortlichen sind, wie inkompetent diese ihre Ämter ausfüllen und wie viel besser die momentan auf der Reservebank Sitzenden das könnten. Zudem werden Fachleute zitiert, die alle beabsichtigten Maßnahmen auf ihre geplante Wirkung, aber auch auf die Wirkung auf andere wichtige Güter wie die Wirtschaft, die Familie, das Budget, den Euro, die soziale Stabilität usw. problematisieren. Nachdem die Wissenschaft hierzulande ohnehin pluralistisch ist, erweitert oder kritisiert das Expertentum den parteipolitischen Pluralismus auch nicht wirklich, sondern bestätigt ihn.
Zuletzt geben Journalisten in Kommentaren ihre eigene Lagebeurteilung kund, in denen sie die von den amtierenden bzw. opponierenden Machthabern aufgeworfenen Gesichtspunkte gewichten und ergänzen. Die Leistung dieser kritischen Berichterstattung ist bemerkenswert: Im Widerstreit der Ansichten schälen sich Kriterien heraus, nach denen das politische Geschehen zu beurteilen ist, nämlich erstens das Kriterium des Erfolgs der Macher, und zweitens das Kriterium des Gelingens ihrer Vorhaben. „Kritik“ besteht dann darin, den Machthabern wirkliche oder vermeintliche „Misserfolge“ vorzuhalten, bei all dem, was diese und niemand sonst auf die Tagesordnung setzen. Insofern täuschen sich Journalisten, wenn sie meinen, dass ihre Kommentierung des politischen Geschehens aus den verschiedensten Blickwinkeln und ihre Verteilung von guten und schlechten Noten an Politiker nichts mit Propaganda zu tun habe. Denn mit ihrer kritischen Berichterstattung exerzieren sie ihrem Publikum vor, wie „kompetent“ und „sachkundig“ über das politische Geschehen zu urteilen ist – und laden die Regierten dazu ein, sich bei ihrer Urteilsbildung die Sorgen des Staates zu machen, der sie regiert.
Diese Festlegung der politischen Urteilsbildung der Bürger durch die Presse wird durchaus bemerkt und gerne auf eine verkehrte Art kritisiert: Die Medien würden die Leute manipulieren, indem sie ihnen Lügen erzählen, wichtige Informationen vorenthalten und sie so auf die Interessen von Großkonzernen und politischen Parteien festlegen. Wenn es so wäre, dass den Lesern nur einfach Unwahrheiten erzählt würden, dann wäre der Spuk aber schnell erledigt. Die Sache ist vertrackter: Nicht das Verschweigen, das Aufbereiten macht die Propagandaleistung aus.
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